11.11.2019
PRESSEMITTEILUNG
Am 04.11.2019 gaben wir eine Pressemitteilung heraus, weil unser Genosse Sayed Morteza Hosseini in Abschiebehaft saß und am Mittwoch, 06.11., nach Afghanistan abgeschoben werden sollte, wo zwar seine Eltern herkamen, er aber nie gewesen war. Gleichzeitig zu unserer Öffentlichkeitsarbeit arbeitete Hosseinis Anwalt mit allen Mitteln daran, die Abschiebung noch zu stoppen. Mittwochmittag rief Hosseini uns an, dass er gerade aus dem Knast abgeholt würde. Eine Stunde später war er nicht mehr erreichbar. Mehrere Personen arbeiteten weiterhin daran, die Abschiebung zu stoppen. Außer ein paar Telefonaten blieb uns aber nicht mehr viel zu tun.
Gegen 17:30 wurden wir dann endlich aus der Anwaltskanzlei angerufen: „Sie werden es nicht glauben. Herr Hosseini steigt gerade aus dem Flugzeug aus.“ Was eine Freude! Und gleichzeitig so eine Wut: Wir leben in Zeiten in Deutschland, in denen es ein Grund zum Jubel ist, dass ein Mensch doch nicht gezwungen wird, sein Leben in einem Kriegsland zu leben, das er nie zuvor betreten hatte, in dem er keine sozialen Kontakte, keine Arbeit, kein zu Hause, nicht einmal ein Dach über dem Kopf hat. Und aus einem voll besetzten Flugzeug – dem 29. seit Dezember 2016 nach Kabul – konnte eine einzige Person wieder aussteigen. Deswegen ist diese Freude über die verhinderte Abschiebung verbunden mit Trauer und Wut.
Als Hosseini ausgestiegen war, wurde überprüft, wie viel Geld er dabeihatte, und 50€ wurden als genug befunden, ihn am Abend um 18:00 in Leipzig am Bahnhof abzusetzen (die Abschiebung fand entgegen unserer Erwartungen von Leipzig aus statt): ohne Information darüber, was gerade überhaupt geschehen war und was er jetzt tun solle. Diese Demütigung wollte man sich wohl nicht nehmen lassen. Nun folgt wieder ein schwerer, demütigender Prozess, in dem Hosseini für sein Bleiberecht kämpfen muss.
Was am Mittwoch in Leipzig geschah, ist für uns aber nicht nur ein Grund zur Freude und zur Wut, es ist vor allem ein Grund weiterzukämpfen. Wieder einmal haben wir gesehen, was wir erreichen können mit starker Solidarität und politischem Willen. Davon brauchen wir noch viel mehr, um nicht nur einzelne Abschiebungen zu stoppen, sondern die gesamten Verhältnisse zu stürzen, in denen Menschen nach dem ökonomischen Gewinn gemessen und behandelt werden, den sie einbringen; die Verhältnisse, in denen die Lebenschancen der Menschen von ihrer Herkunft und ihrem Wert für die Gewinnerwirtschaftung abhängen.
Freund*innen und Genoss*innen Mortezas
Kontakt: Hassan Maarfi Poor, 0176 21887621, hassan.maarfipoor@gmail.com
Nora Bräcklein, 0157 74966802, nora.braecklein@gmail.com